Pressemitteilung zum Prozess gegen Jan R. vor dem Landgericht
PressemitteilungDen Kriegsdienst zu verweigern ist in Deutschland verboten. Freigesprochener Kriegsdienstverweigerer erneut vor Gericht. Hamburg, 28.02.01. Am Montag, d. 30.04.01 um 10.00 wird die Berufungsverhandlung gegen den konsequenten Kriegsdienstverweigerer Jan R. (23) vor dem Landgericht Hamburg stattfinden. Die Desertöre laden deswegen alle Interessierten zu einer Info-Veranstaltung am Sonntag, d. 29.04.01 um 12.00 in der Brigittenstr. 5, sowie zum Prozess selber ein. Jan R. war vom Amtsgericht Hamburg-Harburg im November vergangenen Jahres aufgrund der in Art. 4 Abs. 1 des Grundgesetzes garantierten Gewissensfreiheit vom Vorwurf der ‚Dienstflucht’ (§53 Zivildienstgesetz) freigesprochen worden. Nach vierstündiger Verhandlung kam Richter Panzer vor ca. 80 Zuschauern und etlichen Vertretern der Presse damals zu dem Ergebnis, „eine Verurteilung zu Strafe bei diesem Angeklagten, der sich auf Grundlage seines persönlichen Wissens zur Verweigerung auch des zivilen Ersatzdienstes entschlossen hat, würde sich als Missachtung seiner individuellen Würde darstellen.“ Die Staatsanwaltschaft hatte in der ersten Instanz 10 Monate Freiheitsstrafe ausgsetzt zur Bewährung gefordert und ist gegen dieses Urteil in Berufung gegangen. Jan R. ist einberufen worden, seinen Zivildienst in einem Altenheim in Bad Bramstedt bei Hamburg abzuleisten. Da der Student jedoch auch den Ersatzdienst für einen „militärisch verplanten Dienst, bei dem obendrein unausgebildete Hilfskräfte das Fachpersonal von seinen Arbeitsplätzen verdrängt“ hält, hat er diesen nicht angetreten. Als Folge droht ihm nun eine Verurteilung zu einer empfindlichen Haftstrafe. Zu seinen Gründen äußert er sich: „Der Zivildienst geht genau wie der direkte Waffendienst bei der Bundeswehr in die Strategie der Gesamtverteidigung ein. Selbst das Bundesverteidigungsministerium bestreitet nicht, daß Kriege ohne Zivildienstleistende nicht mehr führbar sind. Meine Entscheidung, auch den Ersatzdienst zu verweigern, ergab sich einfach zwingend aus den Gründen, warum ich eigentlich nicht zum Bund wollte.“ Damit gehört Jan R. zu den Menschen, denen man vorenthält, was gemeinhin als große Errungenschaft der Bundesrepublik gewertet wird: Aus Gewissensgründen den Kriegsdienst zu verweigern. Denn das einzige, was in Deutschland rechtmäßig abgelehnt werden kann, ist der direkte Waffeneinsatz. R.: „Es ist für mich jedoch nicht ausreichend, niemanden erschießen zu müssen, um dafür im Sanitätswesen diejenigen zu versorgen, die dann an meiner Stelle kämpfen.“ Dem jetzt anstehenden Urteil kommt für die Rechtsprechung gegen konsequente Kriegsdienstverweigerer eine große Bedeutung zu. Zum einen ist die Sonderzuständigkeit für Wehrstrafsachen am Landgericht neu vergeben worden: Richter Kaut hat noch keine Erfahrung mit dem Themengebiet, wird aber den übergroßen Anteil der Wehrstrafsachen am LG in den nächsten Jahren verhandeln. Zum anderen muss sich zeigen, ob die aktuelle Diskussion um die Wehrpflicht sowie die Legitimität und Legalität deutscher Kriegseinsätze auch auf Landgerichtsebene mit in die juristische Bewertung der konsequenten Kriegsdienstverweigerung eingeht. Bildmaterial stellen wir auf Anfrage zur Verfügung. Aktenzeichen: 7303 Js 220/99 (StA Hamburg) 619 Ds 32/00 (AG Hamburg-Harburg) 711 Ns 10/01 (LG Hamburg) Verhandlungsdaten: 30.04.01, 10.00, LG Hamburg (s.u.), Sitzungssaal: Anbau Für die Richtigkeit, Susanne Münch Adressen: Die Desertöre, Nernstweg 32, 22765 Hamburg, desertöre@gmx.de Verteidiger Jörg Eichler, Tel./Fax.: 0351/8014989, je519121@rcs.urz.tu-dresden.de Verteidiger Detlev Beutner, Tel./Fax.: 06198/577626, d.beutner@link-f.frankfurt Jan R., 040/76755879 Amtsgericht Hamburg-Harburg, Buxtehuder Str. 9, 21073 Hamburg, Landgericht Hamburg, Kapstadtring 1, 22297 Hamburg, |