Pressemitteilung zum Prozess gegen Jan R. vor dem Amtsgericht

Pressemitteilung

Freispruch für Totalverweigerer

Hamburg, d. 3.11.00 Heute wurde der konsequente Kriegsdienstverweigerer Jan R. vom Amtsgericht Hamburg-Harburg überraschend vom Vorwurf der ‚Dienstflucht’ (§53 ZDG) freigesprochen.

Die Staatsanwaltschaft forderte 10 Monate auf Bewährung.

Der Student weigert sich, den Zivildienst abzuleisten, da dieser „militärisch genau so verplant ist wie der Dienst bei der Bundeswehr“. „Wer aus Gewissensgründen den Kriegsdienst mit der Waffe verweigert weil er sich an keinem Krieg beteiligen will, der kann seine Verplanung in den aktuellen militärischen Strategien nicht akzeptieren. Zivildienstleistende sind nach Aussage des Verteidigungsministeriums nicht wegzudenken aus militärischen Auseinandersetzungen.“ Als Zivildienstleistender wäre er im Kriegsfall wie Soldaten unbefristet zivildienstpflichtig und hätte im Feldlazarett oder etwa beim Minenräumen dienst zu tun. R.: „Es ist für mich jedoch auf keinen Fall ausreichend, nur keine Waffe zu tragen um an anderer Stelle genau so kriegsrelevant eingesetzt zu werden“. Entgegen der verbreiteten Meinung gibt es in Deutschland kein Recht auf Kriegsdienstverweigerung, es ist vielmehr nur der direkte Waffendienst in der Bundeswehr verweigerbar.

Um 17.00 war nach etwa 4 Stunden Verhandlung die Überraschung komplett: Richter Panzer schloss sich vor 85 Zuschauern den Argumenten der Verteidigung weitgehend an und sprach den Angeklagten unter Hinweis auf Art.1 (Würde des Menschen) und Art.4 (Gewissensfreiheit) frei. Vor dem Hintergrund des verfassungs-, staats- und  völkerrechtswidrigen Angriffskrieges der NATO auf Jugoslawien kommen zwar immer mehr Juristen zu ähnlichen Ergebnissen, in dieser Deutlichkeit hatte damit aber niemand gerechnet.

In seiner knapp einstündigen Erklärung ging R. zunächst auf die massive Rechtswidrigkeit des Kosovokrieges, den antidemokratischen Charakter des Militärs und seine prinzipielle Ablehnung von Gewalt  gegen Menschen ein. Anhand von Gesetzestexten, offiziellen Planungen und Zitaten belegte er ausführlich die militärische Verplanung des ‚Zivildienst’ genannten ‚Kriegsdienstes ohne Waffe’, um schließlich dessen antisozialen und arbeitsmarktpolitisch widersinnigen Charakter zu erläutern.

Aktenzeichen:

7303 Js 220/99 (Staatsanwaltschaft Hamburg)

619 Ds 32/00 (AG Hamburg-Harburg)

Für die Richtigkeit,

Niels Pomplun

Adressen:

Die Desertöre, Nernstweg 32, 22765 Hamburg, desertöre@gmx.de

Verteidiger Jörg Eichler, Tel./Fax.: 0351 8014989, je519121@rcs.urz.tu-dresden.de

Verteidiger Detlev Beutner, d.beutner@link-f.frankfurt

Jan R., 040/76755879

Amtsgericht Hamburg-Harburg, Buxtehuder Str. 9, 21073 Hamburg, Abteilung 619, Richter Panzer, Tel: 040/ 4 28 71-36 50