Pressemitteilung zum Prozess gegen Jan R. vor dem Amtsgericht
Hamburg, d. 01.10.00 PressemitteilungDen Kriegsdienst zu verweigern ist in Deutschland verboten. Am Freitag, d. 03.11.00 um 12.30 wird der Prozess gegen den konsequenten Kriegsdienstverweigerer Jan R. (23) vor dem Amtsgericht Hamburg-Harburg stattfinden. Die Desertöre laden deswegen alle Interessierten zu einer Info-Veranstaltung am Sonntag, d. 29.10.00 um 12.00 in der Brigittenstr. 5, sowie zum Prozess selber ein. Jan ist einberufen worden, seinen Zivildienst in einem Altenheim in Bad Bramstedt bei Hamburg abzuleisten. Da der Student jedoch auch den Ersatzdienst für einen „militärisch verplanten Dienst, bei dem obendrein unausgebildete Hilfskräfte das Fachpersonal von seinen Arbeitsplätzen verdrängt“ hält, hat er diesen nicht angetreten. Als Folge droht ihm nun eine Verurteilung zu einer empfindlichen Haftstrafe. Zu seinen Gründen äußert er sich: „Der Zivildienst geht genau wie der direkte Waffendienst bei der Bundeswehr in die Strategie der Gesamtverteidigung ein. Selbst das Bundesverteidigungsministerium bestreitet nicht, daß Kriege ohne Zivildienstleistende nicht mehr führbar sind. Meine Entscheidung, auch den Ersatzdienst zu verweigern, ergab sich einfach zwingend aus den Gründen, warum ich eigentlich nicht zum Bund wollte.“ Damit gehört Jan zu den Menschen, denen man vorenthält, was gemeinhin als große Errungenschaft der Bundesrepublik gewertet wird: Aus Gewissensgründen den Kriegsdienst zu verweigern. Denn das einzige, was in Deutschland rechtmäßig abgelehnt werden kann, ist der direkte Waffeneinsatz: „Es ist für mich jedoch nicht ausreichend, niemanden erschießen zu müssen, um dafür im Sanitätswesen diejenigen zu versorgen, die dann an meiner Stelle kämpfen.“ Jan hat bereits seine Musterung verweigert und wurde nach einer polizeilichen Vorführung im Kreiswehrersatzamt Hamburg nach Augenschein für tauglich befunden. Eine Einberufung zur Bundeswehr zum 1.11.97 sowie zum Zivildienst zum 1.2.99 wurden aufgehoben, teilweise erst nach einem Eilantrag beim zuständigen Verwaltungsgericht. Erst ein Einberufungsbescheid zum 1.3. erlangte schließlich Rechtskraft, dem Jan aber nicht folgte. Vor dem Amtsgericht soll nun deshalb der Vorwurf der ‚Dienstflucht’ (§53 ZDG) verhandelt werden. Die Verteidigung übernehmen mit Jörg Eichler und Detlev Beutner zwei befreundete Totalverweigerer, deren Antrag auf Zulassung als Wahlverteidiger (§138 StPO) ohne Probleme durch die damals zuständige Richterin stattgegeben wurde. Der mittlerweile zuständige Richter Panzer tat sich bisher durch interessante Urteile in diesem Bereich hervor: u.a. sprach er 1986 einen Totalverweigerer ausschließlich unter Berufung auf Art. 1 und 4 GG frei (621 Ds 108/86, 142 Js 11/86; UrIS Nr. 122). Ein Blick auf die nachfolgenden Instanzen verspricht ebenfalls Spannung: die für ihr Standardurteil (10 Monate ohne Bewährung) bekannte Richterin Kögel mit ihrer Sonderzuständigkeit für Wehrstrafsachen ist mittlerweile in den Ruhestand gegangen. Insofern bietet dieser Prozess die Möglichkeit, die weitere Rechtsprechungspraxis in Hamburg mit zu beeinflussen. Aktenzeichen: 7303 Js 220/99 (Staatsanwaltschaft Hamburg) 619 Ds 32/00 (AG Hamburg-Harburg) Für die Richtigkeit, Niels Pomplun Adressen: Die Desertöre, Nernstweg 32, 22765 Hamburg, desertöre@gmx.de Verteidiger Jörg Eichler, Tel./Fax.: 0351 8014989, je519121@rcs.urz.tu-dresden.de Verteidiger Detlev Beutner, d.beutner@link-f.frankfurt Jan R., 76755879 Amtsgericht Hamburg-Harburg, Buxtehuder Str. 9, 21073 Hamburg, Abteilung 619, Richter Panzer, Tel: 040/ 4 28 71-36 50 |