Pressemitteilung zum Prozess gegen Jan R. vor dem Landgericht

Pressemitteilung 01/01:

Berufungsverhandlung zum Freispruch für Totalen Kriegsdienstverweigerer am Landgericht Hamburg -

Richter erläßt "Sicherheitsverfügung"

 Hamburg / Frankfurt a.M. / Dresden, 25.04.01. Am Landgericht Hamburg (Kapstadtring 1, Anbau) findet voraussichtlich am Montag, dem 30.04.01, um 10:00 Uhr die Berufungsverhandlung gegen den Totalen Kriegsdienstverweigerer Jan R. statt. R. war am 03.11.00 vom Amtsgericht Hamburg-Harburg überraschend vom Vorwurf der 'Dienstflucht' vom Zivildienst (§ 53 Zivildienstgesetz) aufgrund der in Art. 4 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) garantierten Gewissensfreiheit freigesprochen worden. Es handelte sich dabei um den ersten auf dieser Grundlage basierenden Freispruch für einen Totalverweigerer seit fast fünfzehn Jahren. Die Staatsanwaltschaft hatte gegen dieses Urteil Rechtsmittel eingelegt.

 Das Vorfeld des Verfahrens wird von harschen Auseinandersetzungen mit dem Vorsitzenden Richter am Landgericht Michael Kaut geprägt. Zunächst hatte der Vorsitzende sich geweigert, einen auf den 06.03.01 gelegten Hauptverhandlungstermin aufzuheben, zu dem einer der beiden Verteidiger (Detlev Beutner, Frankfurt a.M., & Jörg Eichler, Dresden) verhindert war. Der Richter erklärte, "daß selbst die Verhinderung eines weiteren Verteidigers ... unbeachtlich wäre" - entgegen jeder hierzu ergangenen Rechtsprechung. Erst auf die Verhinderung des Angeklagten selbst hin hob der Richter den Termin auf. Darüberhinaus hatte der Richter wahrheitswidrig behauptet, daß eine Terminabsprache nicht möglich gewesen sei; tatsächlich hatte der Vorsitzende eine solche Absprache nicht einmal versucht. Eine erstes Ablehnungsgesuch wegen der Besorgnis der Befangenheit blieb dennoch erfolglos.

 In der letzten Woche erließ der Vorsitzende Richter nunmehr eine "Sicherheitsverfügung" (Anlage), in der u.a. - obowohl schon die Verhandlung am Amtsgericht ohne jeden Zwischenfall verlief – die Kontrolle aller BesucherInnen angekündigt und darüber hinaus ausgeführt wird, daß selbst dann mit der Verhandlung begonnen werden würde, wenn noch nicht alle zu kontrollierenden ZuschauerInnen Einlaß gefunden hätten. Dies wäre aber ein klarer Verstoß gegen den Grundsatz der Öffentlichkeit; ebenso die Ankündigung, daß nur Pressevertreter berechtigt seien, Schreibutensilien in den Saal mitzunehmen. Wegen

dieser Ankündigung rechtswidriger Maßnahmen wurde am 23.04.01 ein zweites Ablehnungsgesuch gegen den Richter wegen Besorgnis der Befangenheit eingereicht. Unklar ist, ob über dieses Gesuch noch vor dem 30.03. entschieden wird.

 Besonders prekär ist diese Entwicklung, da am Landgericht Hamburg eine Sonderzuständigkeit für Wehrstrafsachen existiert. Bisher hatte diesen Posten die Vorsitzende Richterin am Landgericht Dr. Hannelies Kögel inne. Diese hatte sich quer durch die Republik mit den Jahren einen besonderen Ruf erarbeitet, da sie grundsätzlich versuchte, gegen Totalverweigerer ein Strafmaß von 10 Monaten ohne Bewährung durchzusetzen. Nach der Pensionierung der Richterin ist nun Richter Kaut an ihre Stelle getreten. Es handelt sich bei diesem Verfahren um die erste bekannte Berufungsverhandlung gegen einen Totalverweigerer unter Vorsitz von Kaut. Die Verteidiger vermuten, daß "der Richter Kaut mit allen Mitteln versucht, Maßstäbe zu setzen, die selbst Frau Kögel trotz größter Bemühungen nicht erreicht hat".

Az: 711 Ns 10/01 - LG Hamburg

 619 Ds 32/00 - AG Hamburg-Harburg

 7303 Js 220/99 - StA Hamburg