Pressemitteilung zum Prozess gegen Jan R. vor dem Landgericht

Pressemitteilung

Den Kriegsdienst zu verweigern ist in Deutschland verboten.

Berufungsverhandlung gegen freigesprochenen Kriegsdienstverweigerer vertagt.

Desertöre legen Beschwerde beim Presserat gegen Verlagsges. Hanse ein.

Hamburg, 30.04.01. Heute fand ab 10.00 die Berufungsverhandlung gegen den konsequenten Kriegsdienstverweigerer Jan R. (23) vor dem Landgericht Hamburg statt. Trotz sechsstündiger Verhandlung kam das Gericht vor ca. 70 Zuschauern jedoch zu keinem Urteil, so dass weitere Prozesstermine (10.05.01, 9:00 und 18.05.01, 10:00) angesetzt wurden. Die Desertöre laden alle Interessierten auch zu diesen Verhandlungstagen ein.

Die heutige Verhandlung war hauptsächlich geprägt durch große Verzögerungen aufgrund einer sehr strengen Sicherheitsverfügung des Gerichtes und zweier Befangenheitsanträge durch die Verteidigung. R.: „Ich rechne nicht mit einem irgendwie gerechten Urteil. Der Richter hat hier gegen einen Pazifisten, der auch wegen dieser Einstellung angeklagt ist, Sicherheitsmaßnahmen wie zu RAF-Prozessen verfügt.“

Richter Kaut hatte im Vorfeld des Prozesses eine Sicherheitsverfügung mit teilweise klar rechtswidrigen Inhaltes erlassen und war auch während des Prozesses nicht bereit, diese zumindest in Teilen zurück zu nehmen. Dagegen richtete sich ein Befangenheitsantrag der Verteidigung, der jedoch von Richter Borwitzky abgelehnt wurde. Zusätzlich war Richter Kaut nicht bereit, die im Verhandlungssaal anwesenden Zivilpolizisten von der Verhandlung auszuschließen, was nach gültiger Rechtsprechung wiederum die Besorgnis der Befangenheit rechtfertigt. Ein entsprechender Antrag wurde rechtswidrig wiederum von Richter Borwitzky abgelehnt, gegen den zu diesem Zeitpunkt bereits ein eigenes Ablehnungsverfahren lief. Dazu R.: „Im Prinzip heißt dieses Verhalten: ‚Wenn dir ein Richter in der Hauptverhandlung sagt, Recht und Gesetz interessieren mich nicht, dann hast du trotzdem auf seine Unbefangenheit dir gegenüber zu vertrauen’. Das ist zwar heute von drei Richtern so behauptet worden, aber falsche Behauptungen werden durch Wiederholung nicht besser.“ Die Verteidigung kündigt weitere Befangenheitsanträge gegen Richter Kaut an. Insbesondere, da er nach der völlig störungsfrei verlaufenen Verhandlung die Sicherheitsverfügung in fast allen rechtswidrigen Punkten auch auf die Folgetermine ausgedehnt hat.

Unterdessen wurde bekannt, dass die Sicherheitsverfügung auf Informationen beruht, die der Richter durch die Verlagsgesellschaft Hanse zugespielt bekommen hatte. Die Desertöre werden dagegen Beschwerde beim Presserat einlegen.

Jan R. war vom Amtsgericht Hamburg-Harburg im November vergangenen Jahres aufgrund der in Art. 4 Abs. 1 des Grundgesetzes garantierten Gewissens­freiheit vom Vorwurf der ‚Dienstflucht’ (§53 Zivildienstgesetz) freigesprochen worden. Nach vierstündiger Verhandlung kam Richter Panzer vor ca. 80 Zuschauern und etlichen Vertretern der Presse damals zu dem Ergebnis, „eine Verurteilung zu Strafe bei diesem Angeklagten, der sich auf Grundlage seines persönlichen Wissens zur Ver­weigerung auch des zivilen Ersatzdienstes entschlossen hat, würde sich als Miss­achtung seiner individuellen Würde darstellen.“ Dagegen ist die Staatsanwaltschaft in Berufung gegangen.

Dem jetzt anstehenden Urteil kommt für die Rechtsprechung gegen konsequente Kriegsdienstverweigerer eine große Bedeutung zu. Zum einen ist die Sonderzuständigkeit für Wehrstrafsachen am Landgericht neu vergeben worden: Richter Kaut hat noch keine Erfahrung mit dem Themengebiet, wird aber den übergroßen Anteil der Wehrstrafsachen am LG in den nächsten Jahren verhandeln. Zum anderen muss sich zeigen, ob die aktuelle Diskussion um die Wehrpflicht sowie die Legitimität und Legalität deutscher Kriegseinsätze auch auf Landgerichtsebene mit in die juristische Bewertung der konsequenten Kriegsdienstverweigerung eingeht.

Bildmaterial stellen wir auf Anfrage zur Verfügung.

Aktenzeichen:

7303 Js 220/99 (StA Hamburg)

619 Ds 32/00 (AG Hamburg-Harburg)

711 Ns 10/01 (LG Hamburg)

Verhandlungsdaten:

10.05.01, 9:00 und 18.5.01 10:00, LG Hamburg (s.u.), Sitzungssaal: Anbau

Für die Richtigkeit,

Susanne Münch

Adressen:

Die Desertöre, Nernstweg 32, 22765 Hamburg, desertöre@gmx.de

Verteidiger Jörg Eichler, Tel./Fax.: 0351/8014989, je519121@rcs.urz.tu-dresden.de

Verteidiger Detlev Beutner, Tel./Fax.: 06198/577626, d.beutner@link-f.frankfurt

Jan R., 040/76755879

Amtsgericht Hamburg-Harburg, Buxtehuder Str. 9, 21073 Hamburg,
Abteilung 619, Richter Panzer, Tel: 040/42871-3650

Landgericht Hamburg, Kapstadtring 1, 22297 Hamburg,
Abteilung 711, Richter Kaut, Tel.: 040/42843-7011